Interview mit Neogy-Geschäftsführer Sergio Marchiori: Darum hat Alperia die Preise erhöht

Alperia bzw. die Tochtergesellschaft Neogy haben erst kürzlich die Preise für die Flatrate zum Aufladen von E-Autos verdoppelt. Im Interview erklärt Sergio Marchiori, Geschäftsführer von Neogy, der Tochtergesellschaft von Alperia, die das Produkt vertreibt, wieso man keine andre Wahl hatte: “Die Flatrate war ein Defizitgeschäft – der Markt ist für solche Preise noch nicht bereit.”

Herr Marchiori, Sie haben als Rechtfertigung für die Preiserhöhung gesagt, dass ein Unternehmen kostendeckend arbeiten muss. Jedoch ist eine Preiserhöhung von über 100 % fast schon ein Eingeständnis, dass man sich verkalkuliert hat, als man die Flatrate ausgearbeitet hat. War das ein reines Defizitgeschäft?

Sergio Marchiori: Für dieses Produkt ganz sicher. Als wir die Flatrate eingeführt haben, gab es diesbezüglich noch keine Erfahrungswerte. Wir haben sie 2017 aufgrund von Annahmen eingeführt, aber nach drei Jahren hat sich herausgestellt, dass die Kunden dieses Angebot sehr stark nutzen. Das war für den Nutzer natürlich ein Top-Angebot, für Alperia und der Tochtergesellschaft aber nicht ertragreich.

Wie haben Kunden auf diese plötzliche Preiserhöhung reagiert?

Der Flattarif ist jetzt für die Kunden nicht mehr interessant. Davon sind wir vor der Preiserhöhung auch ausgegangen. Wir sind aber auch zum Schluss gekommen, dass die Zeit für so ein Angebot in der Elektromobilität noch nicht reif ist. Über eine Flatrate kann man wieder nachdenken, wenn Elektroautos ein Produkt für die Massen werden – so wie wir es auch bei den Mobilfunktarifen beobachten können. Sobald es mehr E-Autos auf der Straße gibt, wird auch ein All-inclusive-Angebot interessant. Und der Trend am Markt zeigt ganz klar in eine Richtung: Unsere Mitbewerber setzen zum Großteil auf Pay-per-use-Angebote.

Also ist das jetzt ein erster Schritt dahin, den Flattarif zunächst aus dem Angebot zu streichen und den Kunden das Pay-per-use-Angebot schmackhaft zu machen.

Man muss sich vor Augen führen, dass Neogy das einzige Unternehmen am Markt ist, das eine Flatrate anbietet. Wir sind mit dieser Strategie ein Risiko eingegangen, um den Kunden ein einzigartiges Angebot anzubieten. Und tatsächlich ist es bei den Kunden sehr gut angekommen. Aber nach drei Jahren haben wir erkannt, dass es in dieser Form einfach nicht tragbar ist.

Das Land Südtirol ist bei Alperia bzw. Neogy Haupteigentümer. Inwiefern war es in die Entscheidungsfindung zur Preiserhöhung involviert?

Man muss hier klar unterscheiden. Das Land ist Haupteigentümer (46,38 %), dazu kommen noch zwei Gemeinden und eine weitere Gesellschaft (die Gemeinden Bozen (21 %) und Meran (21 %) bzw. SELFIN (11,62 %), Anm. d. Red.). Aber Alperia ist auch ein Wirtschaftsunternehmen und muss am Ende vom Jahr seinen Teilhabern Gewinne vorweisen. Auf der anderen Seite gibt es das Land als Öffentliche Verwaltung mit den Förderungen für Elektromobilität. Die gibt nicht Alperia. Aber der Kunde kann damit entsprechende Alperia-Produkte kaufen. Daher muss man das Land als Haupteigentümer für ein Unternehmen, das nachhaltige Mobilität anbietet und die Preisgestaltung vornimmt, und das Land als politische Institution, die Förderungen für nachhaltige Mobilität gibt und diese antreiben will, klar trennen.

Mobilitätslandesrat Daniel Alfreider hat gesagt, dass das Land wegen der Preiserhöhung „intervenieren“ wird. Hat man sich diesbezüglich mit der Politik schon ausgetauscht?

Ja, wir haben mit Landesrat Alfreider schon gesprochen. Und wir haben ihm aufgezeigt, dass ein Angebot zu diesen Konditionen wirtschaftlich nicht tragbar ist. Aber wir werden weiterhin an Angeboten arbeiten – eben an Pay-per-use-Angeboten – die für die Kunden attraktiv sein sollen. So bezahlt der Kunde nur das, was er effektiv verbraucht.

Abschließend noch die Frage: Glauben Sie, dass die Elektromobilität als Folge der Coronakrise einen Aufschwung erleben wird?

Ich persönlich glaube, dass die Autoindustrie generell einen großen Schaden von der Krise genommen hat. Der Verkauf von Autos, unabhängig von deren Treibstoff, ist in diesen Monaten drastisch zurückgegangen. Und sich von so einer Situation zu erholen, braucht Zeit. Menschen werden in nächster Zeit von einer Investition wie den Autokauf eher absehen. Aber ich sehe auch eine positive Seite: Diese Krise hat den Menschen vor Augen geführt, wie es sein kann, wenn keine Autos auf den Straßen verkehren und sich die Luftqualität damit verbessert. Jeder hat gespürt, wie sich die Luft in dieser Zeit verändert hat. Ich bin zuversichtlich, dass man dieses Gefühl sauberer Luft nicht so schnell vergessen wird und es dazu beitragen wird, dass die Elektromobilität einen Aufschwung erleben wird.

Andreas Inama

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